Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Beweiswert kann durch Folgebescheinigungen erschüttert werden

Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 13. Dezember 2023 (Az.: 5 AZR 137/23) entschieden.
Der Kläger war seit März 2021 als Helfer bei der Beklagten beschäftigt. Er legte am Montag, dem 2. Mai 2022, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 2. bis zum 6. Mai 2022 vor. Mit Schreiben vom 2. Mai 2022, das dem Kläger am 3. Mai 2022 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2022. Mit Folgebescheinigungen vom 6. Mai 2022 und vom 20. Mai 2022 wurde Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. Mai 2022 und bis zum 31. Mai 2022 (einem Dienstag) bescheinigt. Ab dem 1. Juni 2022 war der Kläger wieder arbeitsfähig und nahm eine neue Beschäftigung auf.
Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Dem widersprach der Kläger, weil die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden habe. Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage für die Zeit vom 1. bis zum 31. Mai 2022 stattgegeben.
Die Revision der Beklagten vor dem BAG hatte teilweise – bezogen auf den Zeitraum vom 7. bis zum 31. Mai 2022 – Erfolg. Ein Arbeitnehmer könne die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit mit ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachweisen, so das BAG. Der Arbeitgeber könne deren Beweiswert jedoch erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlege und gegebenenfalls beweise, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. 
Bezüglich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 6. Mai 2022 und vom 20. Mai 2022 sei der Beweiswert erschüttert: Die Vorinstanz habe insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestanden und der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen habe. Dies habe zur Folge, dass nunmehr der Arbeitnehmer für die Zeit vom 7. bis zum 31. Mai 2022 die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch trage. 
Da das Landesarbeitsgericht als Vorinstanz hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, wurde die Sache vom BAG insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.